Kürzlich hat mich eine in der Schweiz lebende Amerikanerin - etwa in
meinem Alter, also nicht mehr jung - gefragt, wo denn in der Schweiz -
vor allem bei den jungen Frauen - das Bewusstsein der Emanzipation
geblieben sei und ob es denn hier keine Feministinnen gebe. Sie sprach
vom allumfassenden Diktat des Schönseins nach Männerkriterien. Kaum
eine junge Frau geht heute noch ungeschminkt auf die Strasse - zumindest
in der Stadt -, der schlanke, (nicht immer geglückt) auf sexy gestylte
Körper, die gefärbten Haare sind zum Normalfall geworden. Teure
Kosmetika, Schönheits-OPs schon in jungen Jahren, Liftings,
Zahnbleeching und, und, und… Das Diktat: Für Frauen ist Schönheit in
jeder Situation und in jedem Lebensalter ein matchentscheidender
Vorteil. Wer nicht mitmacht, hat schon verloren. Mit andern Worten:
Frauen werden noch immer oder wieder ausschliesslich über ihre äussere
Erscheinung wahrgenommen und tun (fast) alles, um (den Männern) zu
gefallen. (Und wer glaubt, rundliche Frauen, die sich in Bikinis
fotografieren lassen um zu beweisen, dass sie auch schön sind, würden
sich dem Diktat entziehen, der irrt. Sie verfallen genau dem gleichen
Muster, sonst müssten sie sich nicht auf diese Art beweisen. Und Männer,
die das dann wohlwollend kommentieren, verhalten sich genau so
sexistisch, wie diejenigen, die diese Frauen bloss stellen.)
Natürlich
kann frau jetzt einwenden, dass es um Freiheit gehe, um
Selbstbestimmung, um die Überwindung diskriminierender Tabus usw. Ist
das so? Ich lasse mal alle diejenigen weg, die sich keine Gedanken
darüber machen, woher diese Freiheit kommt, weil für sie schon seit
Geburt selbstverständlich ist, wofür ihre Mütter und Grossmütter noch
kämpfen mussten. Ich lasse auch diejenigen weg, die glauben, Heiraten
und Kinder kriegen sei nach wie vor die einzig wahre Erfüllung eines
Frauenlebens. Alle Anderen wissen, dass die Emanzipation nicht darin
gipfelt, dass wir Frauen uns nun auch Stripper ansehen dürfen...
http://www.tagesanzeiger.ch/ipad/zuerich/Frauen-sind-anspruchsvoller/story/31027639
Aber
was bedeutet heute Feminismus? Kürzlich las ich, dass Frauen - weltweit
- noch immer als Objekte und Männer eher als Personen wahrgenommen
werden. Zwei Studien zeigen diese Mechanismen auf:
http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article108619670/Frauen-werden-primaer-als-Sexobjekte-wahrgenommen.html
Wir wissen alle, wie stark unser Gehirn von Sexualhormonen
beeinflusst ist und wie testosterongesteuert viele Männer denken. Aber
welche Schlüsse ziehen wir daraus?
Sicher. Die Frauen sind heute
selbstbewusster, sie haben Zugang zur Bildung, zur Berufswelt, sogar bis
in höhere Chargen, in unserer westlichen Kultur ist der Weg bis in die
politischen Machtzentralen zwar steinig aber möglich, und mittlerweile
gibt es sogar ein paar wenige Exotinnen unter den Entscheidungsträgern
der Wirtschaft. Aber noch immer bestimmen die Männer die
Verhaltensregeln. In den allermeisten Fällen passt frau sich an, wenn
sie es bis in die Männergremien schaffen will. Mit dem Resultat, wir bis
heute keine wirkliche Gleichstellung erreicht haben. Nämlich die
geteilte Verantwortung in allen Bereichen. Obwohl man heute weiss, dass
Entscheidungen, die von einem gemischten Gremium gefällt werden, in der
Regel nicht nur ökonomisch, sondern auch gesellschaftlich nachhaltiger
sind.
Frauen und Männer sind biologisch unterschiedliche Wesen.
Gott sei Dank! Es geht beileibe nicht darum, diesen Unterschied zu
verkleinern oder zu verändern. Aber so lange dieser Unterschied bloss
als Argument oder als Anlass für den Geschlechterkampf dient statt als
Ansporn, gemeinsam eine bessere Zukunft zu schaffen, so lange ist die
Menschheit noch längst nicht emanzipiert.
Ich frage mich, warum
das so ist. Und ob wir jemals aus dieser Falle herausfinden. Schauen wir
uns doch einmal um. Bei der Genderfrage liegt der klare Vorteil noch
immer beim männlichen Geschlecht. Gejammer über Weicheier oder
Frauenbonus hin oder her. Klar ist: Starke Frauen wünschen sich starke
Männer. Umgekehrt müssten sich starke Männer eigentlich auch starke
Frauen wünschen. Aber offenbar ist das ein Problem. Starke Frauen gelten
als männlich, ausser sie setzen ihre Stärke in Form ihrer weiblichen
Reize ein. Und genau das ist die Crux. So lange die Frauen ihre Ziele
auf diesem Weg erreichen, verhalten sie sich angepasst und werden von
Männern, von männlichen Denk- und Verhaltensmuster abhängig bleiben. Zum
Nachteil der Gesellschaft. Denn starke Frauen sind sehr oft mutiger, im
Denken unabhängiger und freier in ihren Entscheidungen. Das macht sie
für Männer unberechenbar. Davor haben Männer offenbar Angst. Und diese
Angst macht aus angeblich starken schwache Männer.
Die Stadt
Zürich will Frauenquoten einführen. Auch so ein Reizthema. Ich war
früher dagegen, weil ich dachte, dass Quoten eher schadeten, weil es die
Frage der Alibifrauen aufwirft, resp. weil Frauen so auf eine neue,
noch subtilere Art diskriminiert würden. Aber sehen wir es doch mal
umkehrt: Wie viele unfähige Männer sitzen schliesslich auf ihren
Posten, nur weil sie Männer sind? Und wie viele unfähige Politiker muss
die Welt eigentlich noch erdulden? Und wie lange glauben wir noch den
hartherzigen, lebensfeindlichen Kirchenmächtigen, deren Ideologie dazu
dient, das männlich geprägte Zerrbild der Gesellschaft zu zementieren.
Würde
es besser, wenn Frauen bis in die politischen und wirtschaftlichen
Entscheidungsgremien gleichgestellt, resp. angemessen vertreten wären?
Ich
bin keine Hellseherin, ich weiss es nicht. Ich bin aber überzeugt, dass
es diese Chance gibt. Vorausgesetzt, die Frauen übernehmen nicht die
Denk- und Verhaltensweisen der Männer. Und dafür braucht es
wahrscheinlich die Quoten. Denn vorher wird jede Entscheidung
zwangsläufig männlich dominiert sein. Das heisst, es werden auch keine
oder zumindest keine entscheidend wirksamen Voraussetzungen geschaffen,
die eine Gleichstellung in allen Bereichen und auf allen Ebenen
überhaupt ermöglichen. Zu diesen Voraussetzungen gehören nicht nur die
Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, von denen es noch immer nicht
genügend gibt, sondern - wie wir alle wissen - vor allem die
Teilzeitarbeit und das Jobsharing vom privaten Bereich bis in die
Chefetagen. Und die Aufwertung sogenannter Frauenberufe. Zu diesen
gehört neuerdings auch der Lehrerberuf. Was den Berner
Erziehungsdirektor zur Forderung veranlasst, dass man für die Lehrer die
Löhne erhöhen sollte, damit man vermehrt wieder Männer für den Job
rekrutieren könne…
Ich plädiere nicht dafür, dass alle Frauen
Chefs und alle Männer Hausmänner werden müssen. Ich plädiere auch nicht
dafür, dass Frauen sich nicht für die konventionelle Lebensform mit
Mann, Kinder, Heim und Herd entscheiden sollen. Und ich plädiere schon
gar nicht dafür, dass Frauen ihre Schönheit oder ihre Reize verstecken
sollen. Aber ich plädiere dafür, dass Schönheit nicht bloss von der
Werbung definiert wird. Und ich plädiere dafür, dass Frauen nicht nur
auf irgendwelchen Gleichstellungspapieren, sondern tatsächlich als
gleichwertige Menschen gesehen und behandelt werden wie Männer. Wer
sagt, das sei in der westlichen Zivilisation schon jetzt Allgemeingut,
der stellt sich blind. Die Sexyness ist bloss die Kehrseite der
Verschleierung.
Wenn die kommende Frauengeneration sich nicht auf
ihre Stärken (z.B. vernetztes, konsensorientiertes Denken, umsichtige
und sinnorientierte Planung, situativer Führungsstil usw.) besinnt, und
wenn auf der andern Seite die Mehrheit der Männer sich nicht emanzipiert
und Frauen weiterhin entweder als Sexobjekte oder als Gefahr empfindet,
dann bleiben Emanzipation und Gleichstellung noch für lange Zeit auf
der Strecke. Zum Schaden Aller... Nicht, weil die Frauen alles haben und
tun sollen, was die Männer haben und tun können, sondern weil Frauen -
zusammen mit emanzipierten Männern - die Welt verändern könn(t)en…
zugunsten Aller.
Übrigens: Wie stark Frauen und wie schwach Männer sein können, zeigt das jüngste Beispiel Pussy Riot.
Montag, 20. August 2012
Sonntag, 12. August 2012
Oute mich als hoffnungslos bieder!
In Woody Allens neuem Film „To Rome with Love“ gibt es die herrliche Geschichte vom biederen Buchhalter, der plötzlich berühmt ist, weil die Medien ihn ohne jeden Grund dazu machen. Berühmt sein, einfach, weil man es ist.
Das ist in meinen Augen die Streetparade. Ein „Event“ (welch Zauberwort), der eine Million Menschen anlockt, einfach, weil alle finden, dass dies eine supermegatollenichtzuverpassende Party ist. Ganz klar. Ich bin zu alt, um das beurteilen zu können. Auch wenn ich leidenschaftlich gerne - und jawoll - auch sehr gut tanze… auch den Rave. Und obwohl ich ein ausgezeichnetes Musikgehör und - jawoll - auch den Rhythmus im Blut habe.
Oder vielleicht gerade deshalb?
Ich gebe zu: Ich bin geflüchtet, weil ich viel zu laut dröhnende Bässe nicht mag. Und weil ich supermegatollenichtzuverpassende Anlässe überhaupt nicht mag. Also bin ich nach Bern geflüchtet. In die Altstadt, meine alte Heimat. Wo ein anderer supermegatollernichtzuverpassender Anlass die Menschen anlockte. Allerdings nicht in Zürcherischen Dimensionen.
Wie das halt so geht. Jeder sieht seine Vorurteile bestätigt. Beim Einsteigen in den Zug kam mir eine Gruppe bereits total besoffener Männer johlend und gröhlend entgegen. Mit zwei nicht eben vorteilhaft aufgemotzten jungen Mädchen, die auch schon so Einiges intus hatten. Der Wagen roch nach Bier. Schon am Nachmittag..
Quelle différence in Bern! Mal abgesehen vom hässlichsten Bahnhof der Welt, den ich immer so schnell wie möglich wieder hinter mir lasse, war der Weg in die untere Altstadt so etwas wie ein befreites Aufatmen. Die Menschen sassen oder flanierten in den Gassen, Menschen jeden Alters, bunt gemischt, alte Damen, fröhliche Kinder, viele schöne junge Mädchen, sexy, aber nicht aufreizend gekleidet, kaum oder gar nicht geschminkt. Stark! Strassen-MusikerInnen, KomödiantInnen, GauklerInnen, AkrobatInnen aus aller Welt richteten sich ein für den Start am 3. Tag des Buskerfestivals, das um 18 Uhr begann und auf den verschiedenen in der ganzen Altstadt verteilten Bühnen bis in die Nacht dauerte. Die Leute haben auch getanzt. Und zugehört. Und sich gefreut. Das Gebotene war vielfältig, teilweise musikalisch hervorragend, witzig, schräg, farbig. Besoffene habe ich keine gesehen. Den ganzen Abend nicht. Erst im Bahnhof wieder die üblichen Alkis.
Im Zug klagte die Schaffnerin über stinkende und verdreckte Abteile (wer bezahlt das eigentlich). Als ich in Zürich ausstieg, sassen und lagen auf dem Perron total erschöpfte, abgelöschte, junge Menschen, viele davon offensichtlich besoffen oder zugedröhnt. Im Gedränge in der Halle knallte eine Petarde, danach ein Gegröhle, das erste Abteil in der S-Bahn war vollgekotzt, am Stadelhofen musste ich mich durch die Einsteigenden aus dem Zug boxen, der Boden klebte, alles war ziemlich gruusig, rund um den Stadelhofen und bei der Tramstation bedeckten fallen gelassenes Papier, halb gegessene Pizzas Becher usw. den Boden... Ich war wieder in Zürich!
Im Tagi hat ein Journalist geschrieben, die Streetparade sei ein Sieg der Eventstadt über das biedere Zürich. Ich oute mich deshalb als hoffnungslos bieder. Auch wenn ich finde, eigentlich sei diese Party total bieder.
Das ist in meinen Augen die Streetparade. Ein „Event“ (welch Zauberwort), der eine Million Menschen anlockt, einfach, weil alle finden, dass dies eine supermegatollenichtzuverpassende Party ist. Ganz klar. Ich bin zu alt, um das beurteilen zu können. Auch wenn ich leidenschaftlich gerne - und jawoll - auch sehr gut tanze… auch den Rave. Und obwohl ich ein ausgezeichnetes Musikgehör und - jawoll - auch den Rhythmus im Blut habe.
Oder vielleicht gerade deshalb?
Ich gebe zu: Ich bin geflüchtet, weil ich viel zu laut dröhnende Bässe nicht mag. Und weil ich supermegatollenichtzuverpassende Anlässe überhaupt nicht mag. Also bin ich nach Bern geflüchtet. In die Altstadt, meine alte Heimat. Wo ein anderer supermegatollernichtzuverpassender Anlass die Menschen anlockte. Allerdings nicht in Zürcherischen Dimensionen.
Wie das halt so geht. Jeder sieht seine Vorurteile bestätigt. Beim Einsteigen in den Zug kam mir eine Gruppe bereits total besoffener Männer johlend und gröhlend entgegen. Mit zwei nicht eben vorteilhaft aufgemotzten jungen Mädchen, die auch schon so Einiges intus hatten. Der Wagen roch nach Bier. Schon am Nachmittag..
Quelle différence in Bern! Mal abgesehen vom hässlichsten Bahnhof der Welt, den ich immer so schnell wie möglich wieder hinter mir lasse, war der Weg in die untere Altstadt so etwas wie ein befreites Aufatmen. Die Menschen sassen oder flanierten in den Gassen, Menschen jeden Alters, bunt gemischt, alte Damen, fröhliche Kinder, viele schöne junge Mädchen, sexy, aber nicht aufreizend gekleidet, kaum oder gar nicht geschminkt. Stark! Strassen-MusikerInnen, KomödiantInnen, GauklerInnen, AkrobatInnen aus aller Welt richteten sich ein für den Start am 3. Tag des Buskerfestivals, das um 18 Uhr begann und auf den verschiedenen in der ganzen Altstadt verteilten Bühnen bis in die Nacht dauerte. Die Leute haben auch getanzt. Und zugehört. Und sich gefreut. Das Gebotene war vielfältig, teilweise musikalisch hervorragend, witzig, schräg, farbig. Besoffene habe ich keine gesehen. Den ganzen Abend nicht. Erst im Bahnhof wieder die üblichen Alkis.
Im Zug klagte die Schaffnerin über stinkende und verdreckte Abteile (wer bezahlt das eigentlich). Als ich in Zürich ausstieg, sassen und lagen auf dem Perron total erschöpfte, abgelöschte, junge Menschen, viele davon offensichtlich besoffen oder zugedröhnt. Im Gedränge in der Halle knallte eine Petarde, danach ein Gegröhle, das erste Abteil in der S-Bahn war vollgekotzt, am Stadelhofen musste ich mich durch die Einsteigenden aus dem Zug boxen, der Boden klebte, alles war ziemlich gruusig, rund um den Stadelhofen und bei der Tramstation bedeckten fallen gelassenes Papier, halb gegessene Pizzas Becher usw. den Boden... Ich war wieder in Zürich!
Im Tagi hat ein Journalist geschrieben, die Streetparade sei ein Sieg der Eventstadt über das biedere Zürich. Ich oute mich deshalb als hoffnungslos bieder. Auch wenn ich finde, eigentlich sei diese Party total bieder.
Abonnieren
Posts (Atom)